Warum nicht wie bewährt vom Einfachen zum Schweren?

Wie gemeinsame Europäische Streitkräfte beginnen könnten

, von  Andreas Würth

Warum nicht wie bewährt vom Einfachen zum Schweren?
Manchmal haben einfache Lösungen den größten Charme. Copyright: Meena Kadri / Flickr/ CC BY-ND 2.0

Immer wieder haben Europapolitiker in den letzten Monaten über die mögliche Ausgestaltung einer besseren europäischen Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik diskutiert. Unser Autor Andreas Würth schlägt vor, ganz einfach zu beginnen: Mit der Bildung eines Verbandes von freiwilligen Rekruten europäischer Bürger.

Bei nahezu allen europäischen Vorhaben in der Vergangenheit hat man mit dem begonnen, was der kleinste gemeinsame Nenner war und hat dann auf diese Basis aufgebaut. So begann etwa das Europäische Parlament als eine Art Aufsichtsrat der Montanunion und hat sich zu der etablierten Volksvertretung entwickelt, die es nunmehr ist.

Bei der Aufstellung von militärischen europäischen Kontingenten ging man jedoch in den letzten Jahrzehnten den entgegengesetzten Weg. Es werden Kontingente der Mitgliedsstaaten für schnelle Eingreiftruppen (EUFOR) für Einsätze hoher Intensität aufgestellt, die im Anschluss wieder aufgelöst werden. Dabei sind Einsätze hoher Intensität per Definition zwischen den Mitgliedsstaaten umstritten und werden daher kaum durchgeführt. So fanden etwa der Internationale Militäreinsatz in Libyen 2011 oder die Opération Serval in Mali 2013 unter nationalem Kommando im Rahmen von „Coalitions of the willing“ statt.

Warum geht man nicht den bewährten Weg des kleinsten gemeinsamen Nenners und stellt einen allen EU-Bürgern offenen, dem Vorbehalt des Europäischen Parlamentes unterstehenden, gemeinsamen Verband auf, der Einsätze geringer Intensität durchführt, über welche eine breite politische Einigkeit besteht?

Gegen eine Verwendung des Verbandes im Rahmen des seit 1999 bestehenden, weitgehend ruhigen KFOR-Mandates, zur Bewachung der Außengrenze, etwa im Baltikum, zur Sicherung von Liegenschaften von EU und NATO und zu protokollarischen Zwecken, dürfte doch kein Mitgliedsstaat etwas haben, zumal hierbei allerorts knappe nationale Kapazitäten entlastet werden würden.

Der sich aus freiwilligen EU-Bürgern rekrutierende Verband könnte zunächst in Bataillons- oder Regimentsstärke als leichte Infanterieeinheit aufgestellt werden. Hierzu kommen sowohl ungediente Freiwillige, als auch von den Mitgliedsstaaten vom Dienst freigestellte freiwillige Soldaten in Frage, welche bereits Erfahrungen mitbringen. Für die Ungedienten wird eine mit der Grundausbildung beginnende militärische Ausbildung angeboten, die vom Dienst Freigestellten durchlaufen einen Aufbaukurs. Auf absehbare Zeit wird auf die zweite Gruppe vor allem in Bezug auf die erfahrenen Unteroffizierdienstgrade und Offiziere zurückzugreifen sein. Viele Ausbildungen werden grundsätzlich in Abstützung auf nationale Strukturen durchgeführt werden müssen. Sämtliche Kosten des Verbandes und dessen Einsätze werden aus dem Haushalt der EU finanziert.

Da eine Vielzahl von Sprachen gesprochen wird und die Soldaten unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben, bietet es sich an, Fähigkeiten im Bereich der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ/CIMIC), der militärischen Aufklärung und der Entsendung von Militärbeobachtern neben der schwerpunktmäßigen infanteristischen Ausbildung verstärkt abzubilden, auch weil diese friktionsärmer als die wechselnden nationalen Abstellungen wären. Die Kommandosprache sollte Englisch sein und der Verband ist geschlossen an einem von den Freiwilligen unter vertretbaren Aufwand zu erreichenden Ort aufzustellen. Um geeignete Freiwillige auswählen zu können, ist der Dienst attraktiv zu gestalten und den Soldaten ein guter Übergang zurück ins Zivilleben zu ermöglichen.

Aus einer Vielzahl von Gründen bietet es sich an, den Verband an das bereits bestehende Regelwerk einer Nation anzulehnen. Hierfür sind vor allem Einsatz- und Führungsgrundsätze sowie logistische Gründe anzuführen, welche selbst abzubilden eines erheblichen Aufwandes bedürfen würde.

Es bietet sich an, den Verband dem bereits seit über 20 Jahren bestehenden Eurokorps zu unterstellen. Die Abgabe von Personal an die Kontingente der EUFOR bzw. EU-Trainings Missionen (EUTM), sowie vergleichbare Formationen und gemeinsame Übungen sind anzustreben. Auch das Betreiben von gemeinsamen Ausbildungszentren ist in Abstimmung mit der NATO zu prüfen.

Es könnte geprüft werden, ob der Verband auch für Nicht-EU-Bürger, welche aus dem der EU nahe stehenden Ausland (Norwegen, Island, Schweiz, Westbalkan, bald UK) im Austausch für die Unionsbürgerschaft geöffnet werden kann. Dies würde allerdings erhebliche Probleme sowohl bei einigen Staaten, wie etwa der Schweiz, welche den Kriegsdienst für fremde Mächte explizit unter Strafe stellt, als auch bzgl. der Idee, dass jeder Wehrdienstleistende das Parlament, welches ihn entsendet, auch gewählt haben sollte, generieren. Unlösbar wären diese Herausforderungen aber nicht.

Ein solcher Verband wäre politisch, militärisch und finanziell durchaus machbar und würde in Zeiten wachsender transatlantischer Herausforderungen ein Zeichen setzen, auf welches sich aufbauen lässt. Aus dem Aufsichtsrat der Montanunion ist schließlich auch etwas geworden.

Ihr Kommentar
Vorgeschaltete Moderation

Achtung, Ihre Nachricht wird erst nach vorheriger Prüfung freigegeben.

Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom