Die Covid-19-Pandemie veranlasste die EU-Mitgliedstaaten im Frühjahr zu umfangreichen Maßnahmen, die bis heute andauern. Zur Nachverfolgung der Infektionsketten setzen viele Staaten auf den Einsatz einer Corona-App. Doch wie funktionieren die Anwendungen eigentlich in den Mitgliedstaaten? Gibt es Staaten, die eine Vorbildfunktion einnehmen? Wir haben uns für euch die unterschiedlichen Corona-Apps genauer angeschaut.
Datenspeicherung und Datenschutz
Transparenz spielte in der Entwicklung der Corona-Apps in vielen Staaten eine große Rolle. Nichtregierungsorganisationen wie der Chaos Computer Club haben beispielsweise die Entwicklung der deutschen Corona-Warn-App medial intensiv begleitet. In einem vollständig einsehbaren Open Source-Prozess waren vor der Veröffentlichung sämtliche Entwicklungsdaten offen einsehbar.
Zum Einsatz sind bisher vor allem drei Systeme gekommen: Das „Exposure Notification System“ (ENS) von Google und Apple, welche sich am dezentralisierten Nachverfolgungsprotokoll der Europäischen Union orientieren und sich sehr ähnlich sind. In Frankreich kam das ROBERT-System zum Einsatz. Dieses orientiert sich am „Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing“ (PEPP-PT), welches die zufällig generierte Nutzer-ID sowie die erfassten Daten des jeweiligen Mobilgeräts in einer zentralen Datenbank vergleicht und die Nutzer bei Treffern benachrichtigt.
Während das ENS-System für eine sichere Verschlüsselung und damit auch ein hohes Maß an Datenschutz steht, besteht bei einer zentralen Datenbank die Sorge, dass die Nutzer-IDs einzelnen Personen zugeordnet werden könnten. Damit wäre die individuelle Nachverfolgung von Kontakten möglich.
Transnationale Zusammenarbeit
Im Oktober folgte der erste Zusammenschluss von Deutschland, Irland und Italien, die ihre Daten zur Kontaktverfolgung über pseudonymisierte Schlüssel austauschen. Der Datenaustausch funktioniert bisher jedoch nicht mit allen EU-Mitgliedstaaten. Frankreich, welches auf eine zentrale Datenspeicherung setzt, bleibt beim europäischen Zusammenschluss bisher außen vor. Seitdem sind weitere Länder dazugekommen, sodass sich nun auch Dänemark, Lettland und Spanien dem europäischen Gateway-Service angeschlossen haben, weitere Mitgliedstaaten sollen folgen. Die nationalen Corona-Apps kommunizieren dabei ausschließlich über das Gateway und nicht untereinander. Dadurch soll das transportierte Datenvolumen minimiert und gleichzeitig maximaler Datenschutz gesichert werden. Nach einer erfolgreichen Pilotphaseerhofft sich die Europäische Kommission von der Nutzung des Gateways, das volle Potenzial der Kontaktverfolgung ausschöpfen zu können. Mehr als zwei Drittel aller heruntergeladenen Corona-Apps werden über den aktuellen nationalen Zusammenschluss bereits abgedeckt.
Die Mitgliedstaaten haben zur Vorbereitung des nationalen Zusammenschlusses der Corona-Applikationen eng mit der Europäischen Kommission zusammengearbeitet, um digitale Konzepte bei Einhaltung der Datenschutzrichtlinien zu entwickeln. Im Mai verständigten sich die Mitgliedstaaten mit der Kommission auf Interoperabilitätsrichtlinien zum grenzüberschreitenden Datenaustausch, im Juni folgte weitere technische Spezifikationen. Daraufhin nahm die Kommission einen Durchführungsbeschluss an, der die Rechtsgrundlage für den Start der Pilotphase im September schuf.
Der Datenaustausch funktioniert bisher jedoch nur mit Anwendungen, die auf eine dezentrale Datenspeicherung setzen. Damit ist bisher ausgeschlossen, dass Frankreich und Ungarn Teil des Zusammenschlusses werden, da beide Staaten bisher auf eine zentrale Datenspeicherung setzen. Die Schweiz (aufgrund einer sich noch in Verhandlung befindenden Übereinkunft zur Gesundheitspolitik) sowie das Vereinigte Königreich (durch die Brexit-Verhandlungen gibt es in dieser Frage bisher noch kein Übereinkommen) nehmen bis auf weiteres ebenfalls nicht teil am transnationalen Datenaustausch.
Akzeptanz und Nutzung der Zivilgesellschaft
Das Magazin MIT Technology Reviewführt in einer Auflistung die aktuellen Nutzungszahlen der Corona-Apps weltweit auf. Was sich dabei schnell erkennen lässt: Eine flächendeckende Nutzung der Apps wurde bisher nicht erreicht.
In Deutschland meldet das Robert Koch Institut aktuell 22,4 Millionen Downloads der Corona-Warn-App, also etwas mehr als ein Viertel der Deutschen hat die App heruntergeladen. Österreich vermeldete Ende Juli 870.000 Downloads, was weniger als zehn Prozent der Bevölkerung entspricht. Die französische App StopCovid verzeichnete bisher nur etwa vier Millionen Downloads. Um einen tatsächlichen Beitrag zur Nachverfolgung der Kontakte zu leisten müssten jedoch mindestens 15 bis 20 Millionen Franzosen die App herunterladen. Gleichzeitig wurde die App aber schon über 700.000-mal deinstalliert, nur etwa 250 Risikokontakte wurden bis September über die französische App gewarnt. Viele Franzosen beklagten, dass die erste Version der App den Stromverbrauch enorm erhöhte.
Ende Oktober veröffentlichte die französische Regierung eine neue Version der App „TousAntiCovid“. Nun sollen etwa örtliche Teststationen angezeigt werden, sowie die Registrierung beim Besuch eines Restaurants und Bars per QR-Code erleichtert werden. Knapp sieben Millionen Franzosen haben die neue App bereits heruntergeladen. Verglichen mit der ersten französischen Corona-App, konnten deren Downloadzahlen somit in wenigen Wochen übertroffen werden. Italiens App „Immuni“ steht bei knapp zehn Millionen Downloads und auch in den meisten anderen Mitgliedstaaten ist eine Nutzung von mindestens 20% der Bevölkerung nicht erreicht. Auf positive Akzeptanz stieß die finnische Corona-App, die bereits von einem Drittel der Bevölkerung heruntergeladen wurde.
Im europäischen Vergleich schneidet die deutsche Corona-App zumindest bei der Nutzerdichte gut ab undliegt dort sehr weit vorne. Ein Blick auf die nördlichen Nachbarn in Island zeigt jedoch, dass hohe Nutzungszahlen alleine (knapp 40% der isländischen Bevölkerung hatten die dortige App bereits im Mai heruntergeladen) keine Erfolgsgarantie für eine solche App sind. Ein Sprecher der isländischen Polizei sagte etwa, dass die Nachverfolgung per Telefon insgesamt zu besseren Resultaten führt und sich daher nicht allein auf die gesammelten Kontaktdaten der Corona-App verlassen werden könne.
Aktuelle Kennzahlen zur Corona-App des RKI Lizenz
Am deutschen Beispiel wird aber deutlich, dass die Hürden zum Eintragen eines positiven Testergebnisses hoch sind. Oftmals ist die Zustimmung zur Datenübertragung der Testergebnisse der Labore nicht erfolgt, was bisher auf zwei Drittel der getesteten Personen zutrifft. An den Teststellen muss daher noch dringender darauf hingewiesen werden, eine solche Einwilligung zu erteilen, damit die Ergebnisse in der App auch angezeigt werden können. Bei der Ermittlung von Risiko-Kontakten auf Basis der genutzten GPS-Daten ist es immer wieder zu Fehlalarmen gekommen, so schildert der NDR in einem kürzlich veröffentlichen Artikel. Verbesserungen sind mit künftigen Updates bereits in Planung.
Und der Rest? In der Tat gibt es einige Mitgliedstaaten, die bisher auf eine Corona-App verzichten. Dazu gehören derzeit laut offiziellen Angaben der Europäischen Kommission (Stand 13. November 2020), Luxemburg und Schweden. Anwendungen in Griechenland, Rumänien, Slowakei und Zypern sind derzeit noch in Entwicklung. In Schweden hat die Lund Universität eine App zur Analyse der Symptome sowie der Verbreitung des Coronavirus veröffentlicht, Testergebnisse werden über die App jedoch nicht kommuniziert. Die luxemburgische Regierung sieht keinen „sanitären Mehrwert“ in der Nutzung einer Corona-App und stützt die Argumentation unter anderem auf die geringen Nutzerzahlen in den Nachbarstaaten.
Der Blick auf die Corona-Apps der EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass viele Staaten Hoffnungen in die Unterstützung der Nachverfolgung durch den Einsatz einer App gesetzt haben, dies aber noch nicht in allen Ländern umgesetzt werden konnte. Die manuelle Kontaktverfolgung durch die lokalen Gesundheitsämter ist weiterhin von großer Bedeutung und kann nicht durch die Apps ersetzt werden. Die transeuropäische Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schlüssel dazu, eine größere Abdeckung und Informationsdichte zu erreichen. Eine Corona-App kann einen wichtigen Beitrag für den Infektionsschutz leisten, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung hergestellt wird und technische Abläufe innerhalb der App weiter optimiert werden.
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